Ich bin oft mit der Bahn unterwegs und verbringe viel Zeit in Zügen. Auf einer meiner Fahrten kam mir die Idee eine Geschichte über den Zug der Liebe zu schreiben. Vielleicht gefällt euch ja meine Geschichte und ihr baut sie in den Trautext bei eurer Hochzeit ein?

Es war einmal ein ganz junger Zug, der frisch aus dem Werk, das erste Mal durch das Land fuhr. Alles war neu für ihn: der Schaffner, die Bahnhöfe, die Passagiere, die Landschaften. Er konnte die vielen neuen Eindrücke gar nicht alle verarbeiten. Auch das Fahren auf den Gleisen war eine ganz neue Erfahrung und weil er ein besonders guter Zug sein wollte, konzentrierte er sich zunächt nur darauf immer auf den Gleisen zu bleiben und die korrekte Geschwindigkeit aufzunehmen. Er schaute nicht nach links und nicht nach rechts und erst recht nicht in sein Inneres, um bloß nicht abgelenkt zu werden und seine Arbeit gut zu machen.

Schon nach ein paar Tagen entwickelte er auf den Gleisen eine Routine und fing an sich zu langweilen. Immer nur auf die sich selbst zu achten machte irgendwann keinen Spaß mehr. Der Zug fing an den Schaffner genauer zu beobachten. Schnell stellte er fest, dass fast jeden Tag zur selben Uhrzeit derselbe Schaffner in ihn einstieg. Zwischendurch fuhren auch andere Schaffner den Zug. Aber ein Mann fuhr den Zug besonders oft und wurde nach einiger Zeit der Lieblings-Schaffner. Warum? Jeden Morgen brachte er seine Kuscheldecke und einen frischen Kaffee mit. Die Kuscheldecke war so schön weich und wärmte nicht nur den Schaffner, sondern auch den Zug selbst. Der frisch gebrühte Kaffee hatte immer eine leichte Vanille-Note und brachte einen wunderbaren Duft zum Zug. Der Schaffner drückte alle Knöpfe immer sehr behutsam, blieb in allen Situationen ruhig und gab dem Zug einfach ein gutes Gefühl. Nach seiner Schichte faltete er dich Kuscheldecke zusammen, klopfte kurz auf den Sitz und sagte „Na denn, bis morgen“. Der Zug hatte das Gefühl in dem Schaffner einen echten Freund gefunden zu haben.

Einmal konnte der Zug nicht weiterfahren, weil ein anderer Zug den Weg versperrte. Der Schaffner wurde ganz traurig und murmelte in sich hinein „Ausgerechnet heute haben wir Verspätung, wo ich doch meinen Hochzeitstag habe“. So traurig hatte der Zug den Schaffner noch nie erlebt. Er wusste nicht was mit diesem Hochzeitstag auf sich hatte, der den Schaffner so sehr beschäftigte. Der Zug fing an, an den Bahnhöfen zu recherchieren, was denn ein Hochzeitstag sein könnte. Er sah ein Pärchen mit tränennassen Augen. Die beiden erinnerten ihn ein bisschen an den traurigen Schaffner, also hörte er dort genauer zu: „Ich muss jetzt los. Ich liebe dich. Wir sehen uns bald wieder.“ Mit einem Hochzeitstag hatte das irgendwie nichts zu tun. Trotzdem hatte der Zug das Gefühl, dass er auch herausfinden müsste, was es mit diesem „Ich liebe dich“ auf sich hat. Die beiden waren so traurig, dass sie sich trennen mussten. Irgendwie schien dieses „Ich liebe dich“ ein besonderer Satz zu sein. Schon auf der Weiterfahrt beschäftigte sich der Zug das erste Mal mit seinen Passagieren. Viele hatten Bücher dabei, oder Laptops oder Handys. Der Zug schaute ein bisschen genauer hin. Da auf einem Buch stand „PS, Ich liebe dich“. Und eine junge Frau tippte in ihr Handy „Hallo mein Schatz, ich liebe dich“. Und aus den Kopfhörern von einer anderen schwirrte die Melodie von „All you need is love…“.

Diese Liebe schien für die Menschen sehr präsent zu sein. Der Zug konnte es sehen und fühlen aber so ganz verstehen konnte er diese Liebe nicht. Zu gerne hätte er einfach den Schaffner gefragt, was es mit seinem Hochzeitstag und dieser Liebe auf sich hat, aber das ging nunmal nicht. Und so vergingen die Wochen und Monate und der Zug lernte die Welt und die Menschen immer mehr kennen. Bis eines Tages also sein Lieblings-Schaffner mit einer Frau gemeinsam ins Fahrerhaus einstieg. Das gab es noch nie. Die beiden hatten unheimlich viel Spaß miteinander, küssten sich, umarmten sich, teilten sich die Kuscheldecke und redeten die ganze Zeit miteinander. Die Frau sagte „Na das ist definitiv ein schönerer Hochzeitstag als letztes Jahr. Von mir aus kann der Zug jetzt Verspätung haben, so lange wir hier zusammen sind.“

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Und jetzt verstand der Zug. Wenn 2 Menschen sich richtig doll lieben, dann haben sie einmal im Jahr einen Hochzeitstag. Am liebsten wären sie immer zusammen, aber da die Menschen ja arbeiten müssen und so viele Hobbies haben, geht das nicht immer. Aber zumindest den Hochzeitstag möchten die Liebenden gemeinsam verbringen.
Der Zug hatte inzwischen viel über die Liebe gelernt. Liebe macht glücklich und schenkt Geborgenheit. Liebe kann aber auch traurig machen oder wütend. Liebe kann einschränken aber auch befreien. Liebe ist irgendwie unheimlich kompliziert, aber wenn er sich den Schaffner mit seiner Frau an deren Hochzeitstag ansieht, ist es das schönste Gefühl der Welt!

Fotos: Christian Knospe

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